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Shownotes
Jetzt, im Advent, kommen wieder von allen Seiten Spendenaufrufe angeflattert. In der Regel geht's bei diesen Spendenaufrufe um echte Not; um Situationen, wo Hilfe wirklich notwendig ist. Egal, ob's um Menschen geht, oder Natur- und Umweltschutz; egal, ob bei uns um die Ecke oder ganz woanders auf unserer gemeinsamen Erde. Am Beispiel von „Radio Salü Sternenregen“ erläutert Stefan Weinert in dieser Folge, was solche Spendenaktionen leisten können – und wo ihre Grenzen sind.
Links zur Folge:
Spendenaktion "Radio Salü Sternenregen" für saarländische Kinder in Not
Das Archiv mit allen Folgen von "himmelwärts und erdverbunden" gibt's hier.
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Frauenstimme: Himmelwärts und erdverbunden – der Podcast aus dem Bistum Trier.
Stefan Weinert: Ich bin Stefan Weinert von der Rundfunkarbeit im Bistum Trier. Jetzt, im Advent, kommen wieder von allen Seiten Spendenaufrufe angeflattert. Weil - irgendwie sind wir alle im Advent, vor Weihnachten etwas großzügiger, freigiebiger und warmherziger eingestellt. Und das ist ja auch gut so. Denn in der Regel geht's bei diesen Spendenaufrufe um echte Not; um Situationen, wo hilfe wirklich notgwendig ist. Egal, ob's um Menschen geht, oder Natur- und Umweltschutz; egal, ob bei uns um die Ecke oder ganz woanders auf unserer gemeinsamen Erde. Ich mache das mal ein bisschen deutlich am Beispiel einer Spendenaktion, an der ich selbst beteiligt bin. Seit über 20 Jahren sammeln im Saarland in der Zeit vor und kurz nach Weihnachten Radio Salü, die katholische und die evangelische Kirche Spenden für saarländische Kinder in Not. "Radio Salü Sternenregen" heißt die Aktion, in den vergangenen Jahren kamen jedes Jahr um die 400.000 Euro zusammen, im vorigen Jahr war's etwas weniger - klar: Inflation, Energiepreise und so weiter. Trotzdem - viel Geld. Und dieses Geld geht ohne einen Cent Abzug an die kirchlichen Wohlfahrtsverbände im Saarland, Caritas und Diakonie . Die können frei darüber verfügen im Rahmen des Ziels, eben Kindern im Saarland zu helfen, die in Not sind. Meistens sind das Familien, in denen das Geld vorne und hinten nicht reicht, in ganz vielen Fällen alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern.
Monika Paul: Es geht manchmal darum, dass Kinder gar kein Bett haben, irgendwie ne Isomatte, auf der sie schlafen und dat ist ja auch kein Zustand wirklich für längere Zeit und wirklich dann frühmorgens auch in die Schule gehen zu können. Vielleicht - also ich weiß, dass dann der Chef auch gesagt hat: Frau Paul, gehen sie doch einfach mal mit in n Möbelgeschäft. Sie haben auch n Gefühl dafür, was die Kinder jetzt brauchen. Und dann sind wir vor Ort gewesen und haben dann was ausgesucht. Ja und dann waren das auch strahlende Kinderaugen, das ist ja klar.
Stefan Weinert: Was ausgesucht heißt: Der Familie wurde ein Kinderbett finanziert aus dem Spendentopf von Radio Salü Sternenregen. Monika Paul von der Caritas Saarbrücken kennt viele solcher Familien. Wenig Geld, das kann auch dazu führen, dass es gegen Monatsende nicht mal mehr für vernünftiges Essen reicht.
Monika Paul: Einfaches Brot, das Stangenweißbrot, irgendein Aufstrich, n Brotaufstrich und das wird dann tagelang zu zwei bis drei Mahlzeiten verzehrt. Und das sind dann schon Dinge, wo man dann sagt: Na ja, n Kind sollte eigentlich ganz anders ernährt werden, dass es an der einen oder anderen Ecke auch zu Mangelernährungen kommt, und Mangelernährung bedeutet oft auch keine Vitamine, eher anfällig für Krankheit.
Stefan Weinert: Krank werden Kinder auch, wenn sie im Winter keine warme Kledung haben - auch das gibt es im Saarland und überall im eigentlich reichen Deutschland. Und wenn Kinder aus armen Familien häufiger krank werden, dann fehlen sie auch häufiger iim Unterricht; und das Risiko ist größer, dass sie in der Schule den Anschluss verlieren, das schmälert ihre Chance auf eine solide Ausbildung und einen guten Beruf - ein Teufelskreis der Armut. Kinder und Jugendliche aus armen Familien müssen aber auch auf anderes verzichten - zum Beispiel auf Kinobesuche. Und das ist nicht banal - denn es führt zu Ausgrenzung, erklären Daniela Theobald und Thomas Mörsdorf vom Caritasverband Schaumberg-Blies:
Daniela Theobald: Die können nicht die neuesten Filme sehen, können nicht mitreden. Das ist schon was, was wirklich traurig ist eigentlich für Kinde;r grad, wenn sie dann schon in der Pubertät sind und ja auch ganz viel über solche Themen gesprochen wird.
Thomas Mörsdorf: Dann bin ich in der Gruppe schon wieder dieses Kind, das nicht die Markenschuhe hat, das nicht diese Sportkleidung hat. Oder auch nicht ad hoc zusagen kann. Wir machen am Samstag einen Ausflug, sondern dann muss ich wusste ich beantragen, ich müsste, müsste, müsste. Und ich glaub, das macht ganz viel mit der Psyche, nicht nur der Mutter, sondern auch der Kinder, der Jugendlichen.
Stefan Weinert: Kein Kinderbett, keine Winterkleidung, kein Geld für Kino oder Geburtstagsfeier oder Fußballschuhe - in solchen Fällen können die Berater*innen von Caritas und Diakonie im Saarland auf die Spendenmittel von Radio Salü Sternenregen zurückgreifen. Nach über 20 Jahren sind diese Spenden eine feste Größe in ihrer Arbeit, bestätigen Silvia Mann, Monika Paul und Thomas Mörsdorf:
Silvia Mann: Sternregen-Geld ist sehr wichtig, weil es die Möglichkeit gibt, alles, was sehr wichtig ist für die Familie, aber was außerhalb von den normalen Regensätzen liegt, was sehr viel ist, einfach den Familien zu ermöglichen, den Kindern somit soziale Teilhabe zu ermöglichen und ein ganz kleines Stück der sozialen Ausgrenzung auch entgegenzuwirken.
Monika Paul: Das ist ein großes Pfund, muss ich schon sagen. Also ich weiß gar nicht, wie es wäre, wenn es der Sternenregen nicht gäbe, die finanziellen Möglichkeiten wären nicht und da ist auch, ja, eigentlich ist es nicht wegzudenken.
Thomas Mörsdorf: Sternenregen-Geld ist halt ganz wichtig und wertvoll für unsere Arbeit, weil wir immer schnell und informell Lücken stopfen können, helfen können, aber auch nachhaltig helfen können.
Stefan Weinert: Nachhaltig helfen, auch weil die Fachleute der Wohlfahrtsverbände zusammen mit den Familien schauen, wo die Ursachen für die finanzielle Not liegen. Jennifer Leidel vom Caritas-Zentrum Saarpfalz erklärt das mal genauer:
Jennifer Leidel: Oftmals ist es tatsächlich auch n gute Unterstützung um sozusagen den Fuß in die Tür zu bekommen, um einfach zu sagen: Okay, jetzt die große Notlage, die kann ich ein bisschen mildern, indem ich Ihnen das gebe und im nächsten Schritt machen wir n Termin dafür. Ich unterstütze sie dabei, wir könnten diesen Antrag eventuell noch stellen, wir können da noch schauen, das heißt, ich kann diese, diese erste Angespanntheit sehr unbürokratisch wegnehmen, um dann wiederum Kapazität zu schaffen, um weitergehend Hilfe anzubieten, die ja dafür sorgen soll, dass diese Familien im besten Fall nicht noch mal in so eine Situation kommen. Und daher ist es unglaublich wichtig zu wissen, wenn man sich bereit erklärt, Sternenregen zu unterstützen, dass es wirklich mehr ist als einfach nur: Es gibt eine Stelle, wo jemand finanzielle Hilfe bekommt, sondern die Stellen, die das auszahlen können noch so viel mehr leisten für diese Familien.
Stefan Weinert: Also - Spendenaktionen wie Radio Salü Sternenregen können konkrete Not verringern. Und das ist viel wert. Aber: Solche Spenden können nicht die Ursachen dafür aus der Welt schaffen, warum Menschen arm sind, am Rand stehen, nicht im vollen Maß teilhaben können am gesellschaftlichen Leben. Natürlich ist Deutschland ein Sozialstaat, der den Anspruch hat, Menschen in Armut so zu unterstützen, dass sie dennoch menschenwürdig leben können. Aber für viele Betroffene ist es schwer, die ihnen eigentlich zustehenden Hilfen auch zu bekommen, schildert Jennifer Leidel:
Jennifer Leidel: Also man darf das nicht unterschätzen, wie komplex diese Anträge sind. Also, das ist teilweise nicht so einfach zu verstehen. Es sind je nach Konstellation verschiedene Anlagen auszufüllen, verschiedene Dokumente einzureichen. Wir Sozialarbeiter, die das jetzt tagtäglich in unserer Arbeit machen, wissen ganz genau, oaky, was ist das Wichtigste, was muss auf jeden Fall kommen, was kann man nachreichen. Es ist halt auch so, dass die Behörden zwar diese Anträge zur Verfügung stellen, aber keine Antragshilfe. Die Antragshilfe ist dann oft, dass es solche Angebote gibt von uns und von anderen Wohlfahrtsträgern und von den Städten, wo man dann weiß, okay, ich kann da mit meinem Antrag hingehen und kann drüber gucken, ausfüllen lassen. Manchmal ist es auch tatsächlich so, dass man gar nicht unterschätzen darf, wie hoch die Quote der Analphabeten ist, also Menschen, die weder lesen noch schreiben können und dementsprechend gar nicht in der Lage sind, sowas auszufüllen.
Stefan Weinert: Und wenn der Antrag durch ist, stellt man fest, dass das Geld immer noch knapp ist. Während der Zeit von Hartz IV haben die Berater*innen der Caritas im Saarland in Interviews immer und immer wieder kritisiert, dass die Beträge einfach zu niedrig sind. Bei der Einführung des Bürgergelds wurden die Regelsätze zwar erhöht - aber reicht das Geld jetzt wirklich? Und wie geht's nach der Bundestagswahl weiter? Bei Spendenaktionen wie Radio Salü Sternenregen ist es wie bei den Tafeln: Eigentlich ist es im wahrsten Sinn des Wortes ein Armutszeugnis, dass im Sozialstaat Deutschland Menschen von privater Großzügigkeit abhängig sind. Das spricht überhaupt nicht gegen diese Aktionen - aber man darf nicht zu viel von ihnen verlangen: Das Problem der Armut in Deutschland oder auch in anderen Ländern können sie nicht lösen. Da müssen sich ein paar Dinge sehr grundsätzlich ändern - aber das wäre was für eine andere Folge von "himmelwärts und erdverbunden". Spenden können nicht die Welt retten - aber sie können sie an konkreten einzelnen Punkten ein bisschen besser machen. Und das ist was wert. Deshalb: Wenn jetzt in den Wochen vor Weihnachten die Spendenaufrufe ins Haus flattern - bitte nicht sauer sein. Nehmt euch die Zeit und schaut hin: Wer bittet da um Spenden für was oder wen - mit welchem Ziel, mit welchen Bildern, mit welchen Emotionen, mit welchen Fakten. Und wenn das für euch stimmig ist und wenn ihr es euch leisten könnt - dann spendet. Warum denn nicht! Und weil ich das alles am Beispiel der Aktion Sternenregen erläutert habe, mit der Radio Salü und die katholische und die evangelische Kirche im Saarland gemeinsam Spenden sammeln für saarländische Kinder in Not - deshalb gibt's den Link zu Sternenregen in den Shownotes. Aber es gibt noch viele andere gute Hilfsaktionen, die eure Spenden genauso verdient haben. Wie man so treffend sagt: Vergelt's Gott!
Frauenstimme: Himmelwärts und erdverbunden – schreibt uns unter podcast at bistum minus trier de.
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