"Wollen wir einen lebenswerten Planeten hinterlassen oder einen Müllhaufen?”

Shownotes

Vor zehn Jahren hat Papst Franziskus die Enzyklika “Laudato si’” veröffentlicht “über die Sorge für das gemeinsame Haus” - und damit viel Aufsehen erregt. Pater Michael Heinz erzählt in dieser Folge, wie er zusammen mit den Menschen in einer Pfarrei im bolivianischen Tiefland die Gedanken des Papstes in konkreten Alltag umsetzt: mit Baumsetzlingen, einer Fischzucht und Müllsammelaktionen. Im Kern stelle Papst Franziskus die Frage: Wollen wir unseren Kindern einen Garten Eden, einen lebenswerten Planeten hinterlassen oder eine Müllhalde? Pater Heinz stammt aus Düppenweiler im Saarland; er ist dem Orden der Steyler Missionare beigetreten, war viele Jahre Seelsorger in Bolivien und dann Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat. Seit 2022 ist er wieder in Bolivien, als Pfarrer im Bistum San Ignacio de Velasco im bolivianischen Tiefland.


Links zur Folge:

Interviews mit Pater Michael Heinz auf der Internetseite der Steyler Missionare und bei domradio.de

Der Orden von Pater Michael Heinz - die Steyler Missionare.

Die Enzyklika Laudato Si' von Papst Franziskus in der offiziellen deutschen Übersetzung.


Das Archiv mit allen Folgen von "himmelwärts und erdverbunden" gibt's hier.


Feedback gerne auch unter podcast@bistum-trier.de.

Transkript anzeigen

00:00:04: weibliche Stimme: Himmelwärts und erdverbunden - der Podcast aus dem Bistum Trier.

00:00:11: Julia Fröder: Ich bin Julia Fröder, Redakteurin der bischöflichen Pressestelle in Koblenz. Was spielt sich bei ihnen im Kopf ab, wenn ich Ihnen dieses Schlagwort nenne: Laudato si’? Na, singen sie da gedanklich weiter? Dieser Schlager der Kirchenmusik ist sehr populär und hat es dank Mickie Krause sogar an den Ballermann geschafft, aber das ist eine andere Geschichte. Es geht nämlich um die Enzyklika Laudato Si’ von Papst Franziskus. Dieses Schreiben feiert in diesem Jahr den zehnten Geburtstag. Ein Text aus dem Vatikan klingt erstmal sehr trocken und auch sehr theologisch. Daher habe ich Pater Michael Heinz eingeladen, der das Dokument sozusagen zum Leben erweckt. Er war viele Jahre Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks der katholischen Kirche, Adveniat. Dadurch und durch seine Arbeit als Pfarrer in Bolivien hat er hautnah Umweltkatastrophen, die durch den Klimawandel ausgelöst wurden, erlebt. Das motivierte ihn dazu, sich für die Schöpfung einzusetzen und andere Menschen für den Umweltschutz zu begeistern. Heute wird mir Pater Michael, der Teil der Steyler Missionare ist, einen Einblick in seine Arbeit geben. Hallo Pater Michael, schön, dass sie heute hier sind! Das ist ja auch keine Selbstverständlichkeit, denn wie ich es eben gesagt habe, sie leben in Bolivien, sind aber momentan auf Heimaturlaub und sind aus Düppenweiler gekommen, ihrer saarländischen Heimat.

00:01:37: P. Michael Heinz: Genauso ist es. Ich bin zurzeit bei der Mutter, die alleine ist. Ansonsten bin ich auf Heimaturlaub, erhole mich auch gut und besuche auch einige Gemeinden und Gruppen, die Kontakt zu Bolivien haben und etwas von Bolivien wissen wollen.

00:01:51: Julia Fröder: Wie kam es denn dazu, als sie - 2007 war das, glaube ich - nach Bolivien gekommen sind?

00:01:56: P. Michael Heinz: Ja, ich hatte vorher im Generalrat der Steyler Missionare, das ist unsere Ordensleitung, in Rom gearbeitet; und zwar in dem Bereich Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Und nach sechs Jahren war dann genug Zeit in Rom, weil es eben auch mit Büroarbeit verbunden ist und Schreibkram und so und man ist ja als Missionar nicht ein Verwaltungsmensch; und hab mit meinem Chef, mit dem Generalsuperior damals geredet und hab ihn daran erinnert, was die Steyler Mitbrüder immer sagen: In Rom sollte man nicht zu lange bleiben, denn sonst wird man entweder zum Monument oder zur Ruine.

00:02:31: Julia Fröder: Nein, das wollten sie natürlich nicht.

00:02:33: P. Michael Heinz: Nein, und dann hatte er mir verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wo Leute fehlten und da war natürlich Bolivien, weil das sowieso in meiner Liste damals, bevor ich dann ausgesandt wurde 1992, an dritter Stelle stand, bin ich dann auch nach Bolivien gegangen.

00:02:48: Julia Fröder: Warum Bolivien? Warum lag Ihnen das am Herzen?

00:02:51: P. Michael Heinz: Bolivien ist natürlich - als Trierer ist man damit verbunden durch die Partnerschaft, durch BDKJ, durch die Kleidersammlung, durch die Gäste, die kommen; also das hat mich immer schon interessiert, und das war dann auch mit so der Hauptpunkt, wo ich gesagt habe, da würde ich auch gerne mal arbeiten.

00:03:09: Julia Fröder: Und nehmen Sie uns mal mit, wie lebt es sich dort, wo sie sind, in Bolivien, wie sieht es da aus, was machen die Menschen dort beruflich, gibt es Landwirtschaft, wie ist das Leben dort?

00:03:19: P. Michael Heinz: Wir müssen da unterscheiden. Also Bolivien, was wir hier in Deutschland oft kennen und oft auch mit Bolivien verwechseln oder denken, dass nur das Bolivien ist, ist das Hochland, also die dreitausendachthundert Meter Höhe La Paz, das Altiplano; Land, Kälte verbinden wir dann auch mit Bolivien. Und ich lebe im Osten des Landes im Tiefland. Das ist genau das Gegenteil, also so auf 3.400 Meter Höhe, da ist es fast das ganze Jahr über heiß um die 30 Grad, wir sind schon am Amazonas-Urwald, grenzen schon an das Bistum San Ignacio de Velasco grenzt auch an Brasilien an und ist flächenmäßig sogar das größte Bistum Boliviens mit etwa zweieinhalb Mal der Fläche von Österreich. Dort leben vor allen Dingen Kleinbauern, Tagelöhner, Menschen, die von der Rinderzucht auch leben. Es gibt ein paar Großgrundbesitzer, jetzt seit den letzten fünf, sechs Jahren auch Sojaanbau, der dann, ja, leider, muss ich sagen, vor allen Dingen nach Europa und nach China exportiert wird, aber mit all den schlechten Konsequenzen für das Land, es wird immer mehr Urwald abgegeben. Und das ist natürlich ein Riesenproblem. Ich hab das jetzt selber seit 2007 am eigenen Leib schon erfahren, dass man da immer mehr in Trockenphasen kommt. Die Trockenzeiten werden immer länger und die Regenzeiten werden immer kürzer, aber sehr heftig und so, dass es dann oft zu Überschwemmungen kommt. Das ist so die Ausgangssituation. Ich lebe in einer Kleinstadt, 32000 Einwohner San Ignacio de Velasco. Dort gibt es drei kleine Pfarreien und dort haben wir Steyler Missionare seit 22 Jahren jetzt eine Pfarrei übernommen, die Stadtrandfahrerin Maria Assunta, Maria Himmelfahrt.

00:04:59: Julia Fröder: Und was ist da Ihre Aufgabe, wie sieht so Ihr Alltag aus?

00:05:03: P. Michael Heinz: Oh, das ist ganz verschieden, denn wir leben in einer Region, die immer wieder - auch Lateinamerika - immer wieder Neues bringt. Es gibt keinen sehr geregelten Tagesablauf, was manchmal die Sache etwas anstrengend macht, aber manchmal auch sehr interessant. Ich bin im Moment der Pfarrer dort in Maria Assunta, habe also schon auch gewisse Bürozeiten, Sprechstunden, wo ich für die Menschen da bin; aber ich übernehme dann auch im Krankenhaus die Pastoral der Krankenbesuche; übernehme dann natürlich, wie auch meine Kollegen hier in Deutschland, die Beerdigungen, die Katechese …

00:05:38: Julia Fröder: Und wie kam es dann zu ihrer Leidenschaft „Schöpfung bewahren“, wie spielte sie mit rein, hatte das was mit den Umweltverhältnissen vor Ort zu tun?

00:05:47: P. Michael Heinz: Da muss ich nochmal ein bisschen zurückgehen in meine Geschichte. Ich habe die ersten acht Jahre als Missionar in Nicaragua gearbeitet, und da war der Hurrikan Mitch, der sehr großen Schaden angerichtet hat, und ich hab gesehen, was eben der Klimawandel mit uns macht. Dazu kam dann das Umweltschreiben des Papstes, Laudato Si‘ und meine Arbeit auch in Rom im Bereich Bewahrung der Schöpfung, so dass ich da gesagt habe, wenn ich wieder zurückgehe nach Lateinamerika, dann möchte ich ganz besonders in dem Bereich arbeiten. Hatte auch das Glück, dass ich als Adveniat-Hauptgeschäftsführer bei der Amazonas-Synode dabei war, die natürlich auch vor allen Dingen - nicht nur, es geht ja in der Enzyklika nicht nur um Umwelt, es geht ja auch um den Menschen, der in dieser Umwelt lebt -, eben in dieser Enzyklika und in der Synode sind viele Themen noch mal aufgekommen, wo ich gesagt habe, das ist wichtig, da kann ich auch etwas beitragen und deswegen möchte ich wieder zurückgehen. Kam dann wie gesagt zuerst in die Pfarrei, dort, wo ich noch bin und hab dann gesagt, bevor ich jetzt allen erzähle, was sie machen müssen, mach ich es doch selbst in unserer Gemeinde. Und wir haben dann im Pfarrgemeinderat auch einen kleinen Kurs gemacht mit den Katecheten, Gemeindeleitern, die die Wortgottesdienste an den Sonntagen halten - weil wir Priester nicht in alle Gemeinden kommen - und der Pfarrgemeinderat. Und haben erst mal das Dokument gelesen, gesagt, was ist uns wichtig aus diesem Dokument und wo können wir anfangen. So, das war so der erste Startpunkt.

00:07:13: Julia Fröder: Wie haben Sie denn die Leute dazu motivieren können, solch ein Schreiben zu lesen? Also das ist ja auch jetzt nicht die allereinfachste Sprache, also ich glaub ich würd lieber einen Krimi lesen vielleicht oder einen Roman anstatt ein Schreiben aus dem Vatikan.

00:07:26: P. Michael Heinz: Ja, es gibt in Lateinamerika schon eine gewisse Tradition, auch in den Gemeinden. Also wenn ein Dokument kommt vom Vatikan oder auch von der Bischofsversammlung - denn die lateinamerikanische Kirche, die katholische Kirche, hat sich so seit den 50er Jahren organisiert, dass sie gemeinsam immer die Schritte gehen. Also es war, praktisch der erste große Schritt war das zweite Vatikanum umzusetzen und dann kamen natürlich immer Dokumente und oft Jahrespläne, Sechs-Jahres-Pläne und daraufhin haben wir, also erst der Bischof mit den Priestern und dann die Pfarrer in ihrer Gemeinde, das Dokument gelesen. Aber sehr oft wird auch von dem Dokument – weil es, wie sie sagen, oft große Dokumente sind und ein bisschen schwierig zu lesen, nicht immer, aber manchmal - haben wir das dann eine populäre Version gemacht. Also das ist manchmal auch mit Zeichnungen und mit ein paar Fragen, wo man dann eben Abschnitt für Abschnitt oder Kapitel für Kapitel liest und dann Fragen hat und dann eine Gruppenarbeit macht und sagt, da gucken wir mal, was können wir jetzt davon umsetzen auch.

00:08:28: Julia Fröder: Und dann haben Sie das in den Gruppen gelesen, damit gearbeitet. Und wie ging es dann weiter in die Praxis?

00:08:34: P. Michael Heinz: Dann haben wir im Pfarrgemeinderat überlegt, wo fangen wir an. Es gibt ja im Dokument sehr viele, ja wirklich praktische Möglichkeiten; der Papst geht ja in Laudato Si‘ von der Grundfrage in der Mitte des Dokumentes aus, wo er sagt, welche Welt wollen wir den zukünftigen Generationen, also sozusagen unseren Kindern und Kindeskindern hinterlassen? Wollen wir, dass das wirklich ein Garten Eden ist, ein schöner Planet, wo man gut leben kann oder ein Müllhaufen? Und daraufhin entwickelt er die Konsequenzen: Was das heißt, was wir tun sollten, müssen, können. Und da gibt es wirklich einen ganz praktischen Katalog auch, wo dann ganz einfache Sachen gemacht werden, die also auch ein jeder, eine, jede von uns zu Hause jetzt, heute machen können. Das ist ja das Gute an diesem Dokument Laudato si‘, dass es wirklich nicht jetzt schwierige Sachen sind. Also ganz einfach, sage ich ihnen mal, wo wir auch angefangen haben, jeder ist dann nach Hause gegangen, hat gesagt, ja, Strom sparen und Trinkwasser sparen, das sind Sachen, die kann ich auch zu Hause machen und dafür brauche ich jetzt nicht großartig was zu investieren, das kann ich mit meiner Familie machen, das können wir im Gemeindehaus machen, in der Kirche, überall. Und haben dann mit diesen ganz kleinen praktischen Sachen angefangen, haben dann festgestellt, auch als wir uns mal ein bisschen in der Gemeinde umgeschaut haben, dass in Bolivien in San Ignacio das große Problem auch noch der Müll ist. Es gibt keine Mülltrennung. Es gibt nicht mal eine richtige normale Müllabfuhr, so dass die Leute oft den Müll entweder zu Hause verbrennen. Und oft gibt es auch überhaupt keinen Mülleimer. Man wirft den Müll einfach irgendwo hin und so sieht es auch dementsprechend in der Stadt und auf dem Land auch aus. Vor allen Dingen der Plastikmüll, weil Plastik in ist, Plastik ist Mode. Das heißt, was die Menschen früher so gemacht haben, wenn sie gefeiert haben, dass man dann auch aus der Natur noch ein Bananenblatt genommen hat und von dort gegessen hat, das ist jetzt heute alles ein Plastikteller und dementsprechend sieht es auch wirklich schlimm aus. Wir haben dann zum Beispiel mit Firmlingen, mit den Jugendgruppen sind wir vor die Kirche gegangen. Die Straßen in unserer Pfarrei sind nicht asphaltiert, man sieht dann die Erde – „ach ja, hier ist ja alles schön; es ist zwar Boden, aber es ist sauber“. Da habe ich gesagt, guckt mal genau hin, guckt mal an die Ränder. Wir hatten dann Säcke vorbereitet. Die Jugendlichen - ich habe gesagt, geht nur einmal um die Kirche, um den Kirchenblock rum und hebt mal alles auf, was ihr an Müll findet. Die sind mit sechs Säcken Müll gekommen, da waren wir natürlich überrascht. Ich dachte schon, dass es viel wäre, aber so viel hätte ich nicht gedacht. Also solche Sachen, wo man die Jugendlichen auch mit einbezieht, die jungen Leute, aber auch die Erwachsenen, um eben wie gesagt kleine Schritte zu tun, um auch überhaupt mal eine Bewusstseinsbildung durchzuführen, damit die Leute auch wissen, um was es geht.

00:11:34: Julia Fröder: Die Menschen motiviert, das zu machen. Also die Menschen sind bereit, sich dafür einzusetzen, weil sie auch selbst als Kleinbauern unter dem Klimawandel leiden - vielleicht deswegen?

00:11:46: P. Michael Heinz: Ja, das war das große Aha-Erlebnis für viele Gemeindeleiter und Menschen auf dem Land. Gerade die Zusammenhänge auch mal ein bisschen klarzumachen, dass hier im Grunde genommen unser Verhalten mit der Zerstörung der Erde zu tun hat, also angefangen von der starken Abholzung gerade in unserer Gegend. Dann natürlich auch die Umweltverschmutzung, die ja das Trinkwasser auch betrifft. Also es gibt Gegenden in unserer Gemeinde und in den Nachbargemeinden, wo die Trinkwasserreservoirs auch schon voller Abfall sind, man gar nicht mehr benutzen kann. Und dann natürlich aufzeigen, dass damit dann halt, wenn man schlechtes, schmutziges Trinkwasser trinkt, dann eben auch der Körper, vor allen Dingen auch die Kinder betroffen sind, die dann krank werden. Also das war so ein Aha-Erlebnis, wie gesagt und da konnten wir gut die Leute dazu motivieren: Ja, da müssen wir was tun.

00:12:37: Julia Fröder: Und dann gibt es noch andere Projekte, die sie machen. Also im Raum jetzt Aufforstung: Gibt es da Ideen – Pflanzen, CO2-Speicher?

00:12:46: P. Michael Heinz: Wir haben, wie gesagt, mit den kleinen Schritten angefangen, die jeder und jede zu Hause machen kann und sind dann als Pfarrei auch weitergegangen. Im vergangenen Jahr haben wir eine Baumschule neben der Kirche mit 5.000 Bäumen eingerichtet, mit der Hilfe der Jugendlichen auch und jungen Erwachsenen. Und die Idee, die dahinter steckt - also es sind teilweise Obstbäume, aber auch Nutzholz - dass die Menschen noch mal wieder aufforsten. Obstbäume haben wir den Kindern dann auch zur Kommunion geschenkt, wir haben die Paten gebeten, sie mögen neben der Taufkerze ihrem Täufling dann auch einen Baum schenken, eben auch wenn es geht, ein Obstbaum, der ja dann oft nach 3 bis 5 Jahren dort schon Früchte trägt; und haben also insgesamt im vergangenen Jahr rund 500 Obstbäume gepflanzt, mitgezählt den Kaffee und die Banane, aber auch vor allen Dingen Mandarinen, Zitronen, Apfelsinen, Mangobäume, Tamarindo, also alles, was bei uns zu im Tropengebiet wächst; und knapp 3.000 Bäume auch Nutzhölzer. Das allein haben wir als Gemeinde getan und dann, wie gesagt, haben sehr viele Leute einfach Familien-Bäume mit nach Hause genommen und das wollen wir auch weiterführen. Also die Leute, als sie dann zum Gottesdienst kamen. haben gesehen: Oh, da tut sich was! Und dann sehen sie ja jede Woche, wie die kleinen Bäumchen wachsen. Das war, glaube ich, auch ein schöner Effekt, dass die Leute gesagt haben: Ja, da mach‘ ich auch mit.

00:14:13: Julia Fröder: Die Baumschule - wie hat die sich finanziert oder finanziert die sich?

00:14:17: P. Michael Heinz: Einen Großteil konnten wir über die Hilfe der Jugendlichen machen. Gegenüber ist ein Gymnasium, die Religionslehrer sind damit den Schülern gekommen mit ihren Schulklassen, die haben dann die Tüten mit Erde aufgefüllt, solche Sachen und dann nachher auch den Samen reingesteckt. Aber man muss natürlich jemanden haben, der sich kontinuierlich darum kümmert. Das wurde über ein Projekt der Steyler Missionare finanziert von Sankt Augustin hier in unserer Zentrale. Und ja, die Ausgaben wie die Tüten und die Baumschule an sich, also die Materialien, praktisch.

00:14:48: Julia Fröder: Obstbäume zählen ja auch zum Thema Ernährung. Haben sie dann noch andere Sachen gemacht, also irgendwie ein bisschen was in dem Bereich Ernährung?

00:14:55: P. Michael Heinz: Ja, weil Laudato Si‘, die Enzyklika des Papstes, spricht ja auch unseren Lebensstil an. Also wir müssen uns ja, glaube ich, auch alle an die Brust hauen und sagen, wir können was tun, was Praktisches tun, Strom sparen, Wasser auch, sicherlich auch Solarenergie und Windenergie, also nach alternativen Energiequellen schauen. Aber wir sind immer wieder auch selbst gefordert, mal zu schauen, was tun wir denn, wie leben wir denn. Und unsere Lebensweise hat ja auch mit unserem Lebensstil und vor allen Dingen mit den Lebensmitteln zu tun, die wir verzehren. Und da haben wir gesehen, dass eben in unserer Gegend sehr viel Fleisch gegessen wird, was ja auch nicht unbedingt das Gesündeste ist. Damit verbunden haben wir dann mit den Internatsschülern - die Steyler Missionare unterhalten dort zwei kleine Internate für Jugendliche vom Land, die eben keine Möglichkeiten haben, sonst zur Schule zu gehen - mit den Internatsschülern haben wir einen kleinen Teich angelegt und haben eine Fischzucht angefangen. Die Fische - Tilapia heißen die -. die sind inzwischen so gut 30 Zentimeter groß und bevor ich jetzt hier nach Deutschland kam, konnte ich schon die ersten verzehren, sind sehr lecker. So dass also jetzt auch auf unserem Speiseplan öfter auch schon mal Fisch ist, vor allen Dingen für die Jugendlichen. Und wir geben dann unseren Leuten dann auch möglichst den Fisch günstiger ab. Damit refinanzieren wir dann auch wieder die Kosten für die Internate. Zu den Fischen haben wir dann mit Caritas zusammen und dem Amazonas-Netzwerk in Bolivien eine kleine Fibel rausgegeben, wo verschiedene Kräuter genannt werden. Man erklärt für was sie gut sind, und haben dann große Plakate gemacht, die wir in der Kirche ausgehängt haben, so als kleine Ausstellung. Die Idee ist jetzt, auch noch einen Kräutergarten vor der Kirche zu machen. Aber da ist bis auf die Petersilie nichts übrig geblieben durch die letzte ziemlich große Regenzeit. Und dann haben wir mit den Eltern der Kommunionkinder, den Erwachsenen und den Kindern und Jugendlichen dann auch verschiedene Kurse gemacht und Wettbewerbe, wo dann Fragen gestellt wurden, zu den verschiedenen Kräutern, so dass eben dieses Wissen auch nicht verloren geht, sondern dass das auch von Generation zu Generation weitergetragen wird. Das ist ja auch ein ganz wichtiger Teil von unserem Lebensstil.

00:17:10: Julia Fröder: Und das läuft jetzt alles bei Ihnen in der Pfarrei. Gibt es auch schon Möglichkeiten, dass es weiter ausstrahlt? Haben sie schon weitere Leute angesteckt, die dann ihre Ideen oder die Ideen des Papstes eigentlich eher weitertragen?

00:17:22: P. Michael Heinz: In San Ignacio selbst hält das Bistum sieben große Gymnasien. Die Direktoren der Gymnasien und ein Großteil der Lehrer, die waren im letzten Jahr alle bei einem Kurs mit dabei, da haben wir eben auch das gleiche gemacht, das Dokument erst gelesen und dann überlegt, wie kann man das in der Schule, im Gymnasium umsetzen. Und im letzten Jahr konnten wir noch zwei Gemeinden begeistern, die auch mitmachen, aber mit weniger Aktivitäten. Da ich jetzt die Pfarrei, wenn ich zurückkomme, abgeben kann, werde ich mehr frei sein. So dass ich denke - wir haben den Bischof schon auf unserer Seite - dass ich denke, dass wir also auch mehrere Pfarreien, Gemeinden mit einbeziehen, so dass das wirklich auch Wellen schlägt. So wie das chinesische Sprichwort sagt, viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun können, das Gesicht der Welt verändern.

00:18:14: Julia Fröder: Da wollte ich direkt einhaken. Das sind ja alles wirklich ehrenwerte Projekte, aber wenn man auf das große Ganze guckt, auf die Klimakatastrophe, wie bleiben sie da noch motiviert, trotzdem ihre Projekte weiter durchzuziehen und andere Leute zu motivieren, sich dazu beteiligen?

00:18:32: P. Michael Heinz: Ja, ich denke, es ist auch eine Sache, die von unserem Glauben kommt. Wir haben ja als Christen auch die Aufgabe, die Schöpfung zu bewahren, es ist ja der Garten Eden, den uns Gott hinterlassen hat. Und das Reich Gottes ist ja eine Utopie, die wir aber jetzt schon leben, und ich denke, da sollten wir auch als Christen immer wieder das Positive der frohen Botschaft Jesu Christi sehen und in dem Bereich eben das Gute tun, was wir tun können mit den Menschen, mit denen wir in Kontakt sind, sowohl hier als auch mit der Kirchengemeinde. Es gibt ja immer hier positive Gruppen und positive Ansätze, wo wir Gutes tun können für andere und mit anderen zusammen, und das ist so meine Motivation auch noch, denn alles ist nicht so einfach in Bolivien, der Umweltschutz steckt noch in den Kinderschuhen und es ist manchmal auch so, dass man genau wie hier Menschen trifft, die sagen: Na ja, das hat ja jetzt wirklich nichts mit unserem Glauben zu tun und das ist ja nicht so wichtig. Solche Katastrophen hat es immer gegeben und deswegen brauchen wir da nichts zu machen und uns auch keine Sorgen zu machen. Ich denke, das ist sehr blauäugig und da sollten wir schon im Gespräch auch miteinander die Menschen davon überzeugen, dass es wichtig ist, was zu tun, denn wie der Papst sagt in Laudato Si‘: Wir wollen auch den zukünftigen Generationen eine Erde hinterlassen, wir haben sie ja von unseren Eltern geliehen und sollen sie eben auch weitergeben an die nächsten Generationen, so dass die gut leben können.

00:19:55: Julia Fröder: Gehen sie irgendwie auch an die bolivianische Regierung? Also, gibt es da auch offene Türen oder Türen, die sie dann öffnen möchten?

00:20:03: P. Michael Heinz: Also, direkt an die Regierung nicht. Aber wir haben vor Ort mit dem Bürgermeister Kontakt aufgenommen, eben bei der Wiederaufforstung. Bei dem Programm wollten wir um die Kirche herum in unserer Gemeinde, vor allen Dingen gibt es eine große Avenida, eine recht breite Straße und wollten dort in der Mitte der Straße auch eine Baumreihe anpflanzen, so dass eben dann auch Schatten da ist. Und das hat leider nicht geklappt. Es gibt zwar eine Umweltabteilung in der Stadtverwaltung, aber die waren mit einem anderen großen Projekt beschäftigt und haben gesagt, wir können das gerne für dieses Jahr planen. Aber im letzten Jahr konnten wir das nicht tun und wir versuchen schon auch das Thema Müll, das muss man ja auch mit der Stadtverwaltung angehen, auch noch mal aufs Tapet zu bringen, so dass hoffentlich jetzt auch nach den Wahlen - wir haben in diesem Jahr in Bolivien sowohl Präsidentschaftswahlen als auch Parlamentswahlen, dann werden auch die Bürgermeister neu gewählt, so dass man vielleicht mit dem neuen Team dann auch Themen stärker angehen kann.

00:21:01: Julia Fröder: Und sie sind jetzt ein paar Wochen in Deutschland. Was fällt Ihnen denn hier auf, was könnten wir auf jeden Fall jeder von uns als Familie, als Kolleginnen und Kollegen in unserem Alltag noch verbessern, zum Wohle der Umwelt?

00:21:15: P. Michael Heinz: Eine Sache, die direkt, als ich hierherkam, wir ja jetzt in Deutschland das Deutschlandticket haben. Das ist, glaube ich, eine große Hilfe, denn man braucht nicht dauernd von einem Bus, von einem Verkehrsvertrieb den anderen zu überlegen: Wie geht’s? Mir fällt aber auch auf, dass die Öffentlichen natürlich jetzt sehr voll geworden sind. Ich war jetzt öfter auch an den Wochenenden unterwegs, die Züge vor allen Dingen sind sehr voll, ich denke, da müssen wir als Land noch mehr investieren. Und mir ist aufgefallen, eine Nachricht, die vor kurzem kam, dass bei der Mülltrennung, der Bioabfall, wenn er nicht sauber gehalten ist, also praktisch bestraft wird, das heißt ja auch, dass wir bei der Mülltrennung nicht genau hinschauen, und von daher ist das noch mal eine gute Sache, einfach zu sagen, wenn wir doch die Möglichkeiten, Müll zu trennen und auch die Mülleimer da haben, dann sollten wir uns doch alle auch die Mühe machen und das gut zu machen, so dass das auch bei dem Recyceln, bei dem Wiederverwerten auch viel einfacher dann ist. Dann ist mir noch aufgefallen, dass es inzwischen auch wieder etwas mehr Solarpaneele auf den Dächern gibt, wenn man das so im Abstand von etwa 23 Jahren sieht, fällt einem so etwas auf, das finde ich sehr gut. Denn wenn wir in Deutschland schon über die Hälfte unseres Stroms über Solar und Wind produzieren, dann ist das für mich auch ein Ansporn in Bolivien. Denn dort gibt es ja noch mehr Sonne, die Sonneneinstrahlung ist auch noch mal anders und stärker, so dass wir da sicherlich auch noch einiges tun können.

00:22:41: Julia Fröder: Und wenn sie jetzt in ein paar Wochen wieder nach Hause fahren, nach Bolivien, wo geht ihre erste Fahrt hinzu? Zu den Fischen oder zu den Bäumen?

00:22:50: P. Michael Heinz: Zuerst zu den Bäumen, weil wir natürlich jetzt, wenn ich zurückkomme, fängt in Bolivien die Trockenzeit an, und da müssen wir schauen, dass wir über die erste Trockenzeit mit den Bäumen gut kommen. Also die müssen dann wahrscheinlich auch begossen werden. Vielleicht müssen wir sogar ein kleines Bewässerungssystem anlegen, das wollte ich mir erst mal anschauen, und dann wollen wir hoffentlich dann auch im kommenden Jahr schon die ersten Früchte ernten.

00:23:17: Julia Fröder: Vielen Dank für die Einblicke in die praktische Umsetzung von Laudato Si‘ am Beispiel Bolivien.

00:23:23: P. Michael Heinz: Sehr gern.

00:23:28: weibliche Stimme: Himmelwärts und erdverbunden - überall, wo es Podcasts gibt.

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